Ein gutgemeinter Ratschlag?
Erzähle ich Mitmenschen zum ersten Mal, dass ich an einer rheumatischen Krankheit leide, so muss ich mit ungläubigen, erstaunten Blicken rechnen. Als ich selbst zum ersten Mal die Diagnose hörte, war ich ebenfalls erstaunt und überrascht. Mit der Zeit habe ich meine Krankheit immer mehr realisiert. Meine eigene Wahrnehmung, wie ich die Krankheit erlebe, hat sich in diesen fünf Jahren Krankheitserfahrung sehr verändert. Ich bin nicht mehr in einem «Schockzustand» und am hoffen, es sei doch alles nur ein Traum. Nein, ich bin realistischer geworden, am Boden angekommen und versuche die Krankheit so gut wie möglich zu akzeptieren. Das gelingt mir manchmal besser und manchmal weniger gut.
Nun, langsam entwickle ich ein «Feingespür», wie viel ich wem und was erzähle. Für dieses «Abschätzen» muss ich eine Person besser kennen. Habe ich mich einmal «anvertraut» und erzähle, welche Therapie ich momentan anwende, passiert es mir jedoch immer wieder, dass ich einen gutgemeinten Ratschlag höre. Wie zum Beispiel: «Meine Oma benutzt jeweils für ihre geschwollenen Knie Quark», «Kürzlich habe ich in den Medien von einer Entschlackungskur gelesen, dies soll den Körper so umprogrammieren, dass Heilung stattfinden könne.» oder «Hast du vielleicht schonmal an die Psyche gedacht, vielleicht stecken unterdrückte Emotionen hinter deiner Krankheit?» Vielleicht geben diese Mitmenschen Tipps und Tricks aus Hilflosigkeit und Überforderung. Ich denke einfach «nur» Zuhören und keine passende Lösung bereit zu haben, ist schwierig auszuhalten.
Doch meine Erfahrungen mit der Reaktion verschiedenster Mitmenschen und das Ausprobieren von unterschiedlichsten Therapien haben mich gestärkt. Ich höre mir den Ratschlag der Person jeweils an. Für den Tipp bedanke ich mich, mit dem Bewusstsein, dass sie es nur gut meinen und mir helfen wollen. Ich versuche nicht zu werten, auch wenn manchmal die Geschichte für mich absurd klingt. Nach dem Gespräch lasse ich mir Zeit: Kann ich mich mit dem neuen «Behandlungskonzept» anfreunden? Spricht es mich an? Für diesen «Anfreundungscheck» informiere ich mich entsprechend, sei es im Internet oder ich frage vielleicht Therapeuten, Freunde oder Betroffene, die eventuell auch so etwas versucht haben. Wichtig ist es für mich schliesslich, ich darf und kann selber entscheiden, ob ich einen Ratschlag wirklich befolgen möchte. Es geht um mich und ich muss damit einverstanden sein. Und ihre Ratschläge sind gut gemeint und meist Zeichen einer Hilflosigkeit, auch wenn sie noch so nervig sein können. So kann ich gut damit umgehen.